Das Ei des Kolumbus

Kolumbus und das moderne Denken

 

Ei des KolumbusDer Begriff “Ei des Kolumbus” kann als die zweckerfüllende Antwort oder Lösung für knifflige Fragen und Aufgaben betrachtet werden, an denen andere bereits gescheitert sind. Der Entdecker hatte seinerzeit ein Ei zum Stehen gebracht, indem er kurzerhand dessen Schale an der Spitze beschädigte. Etwas Unkonventionell, aber äußerst wirksam!

Zeitgleich hatte er damit ein anderes “Ei” gelegt: die Beschädigung eines tadellosen Naturprodukts, was in diesem Fall vermutlich den sofortigen Verzehr zur Folge hatte. Angesichts der Umstände war dies bei der damaligen Lösungsfindung nicht relevant, denn es ging hierbei um die Verdeutlichung neuer Denkweisen und Möglichkeiten. In gewissem Sinne wurde das damalige Ei in seiner Bedeutung “vergoldet”.

Das unkonventionelle Denken hat uns seitdem nicht nur intelligente Lösungen, sondern ebenfalls diverse Schäden an unserer Natur beschert. Betrachten wir heute den Zustand unserer globalen Lebensräume, die vorherrschenden Ängste und das friedlose menschliche Miteinander, so finden wir darin zahllose angeschlagene “Eier” nachteiliger Lösungen vor, von denen Etliche einen geradezu unerträglichen Gestank verbreiten.

Die tägliche Konfrontation mit faulen Eiern

Anders als bei der nachhaltigen Bewältigung unserer tatsächlichen weltlichen Probleme kennt die Kreativität keine Grenzen, wenn es um das Vergolden, also kommerzielle Belange geht. Die Hüllen unserer Welt wurden und werden in allen Größenordnungen, vom Atomkern bis hin zur Atmosphäre, von immer wieder neuen “Geistesblitzen” angeschlagen. Dass so mancher Pragmatismus nicht einmal vor dem Kern des menschlichen Wesens halt macht, wird dabei völlig übersehen. Die Ursachen hierfür liegen nicht nur in der begrenzten Wahrnehmung des Einzelnen, sondern auch in der bewusst erzeugten Projektion dessen, was dort gezielt erkannt werden soll. In vielerlei Hinsicht bekommen wir nicht die Realität zu sehen, sondern nur das Bild dessen, was sich andere für uns erdacht haben, um sich gut zu verkaufen.

Im Erschaffen künstlicher Bedürfnisse, dem Verschleiern von Tatsachen, oder dem Fällen verborgener Entscheidungen ist es Autoritäten ein Leichtes, der Öffentlichkeit ein A für ein O vorzumachen, um selbst möglichst gut dazustehen. Besonders der kommerzielle Zweck scheint heute alle Mittel zu heiligen, die Macht der Wirtschaft wurde scheinheilig zum goldenen Kalb erkoren. Doch allmählich wächst die Erkenntnis, dass das hiermit verbundene Wohl derart teuer zu erkaufen ist, dass sich in unserem Land hierdurch ein steigendes Unwohlsein breit macht. Wollen wir selektiven Wohlstand um jeden Preis, während es im Allgemeinen immer mehr am Wohlsein mangelt? Ist Geiz denn wirklich geil, wenn die Folge davon ist, dass sich dadurch immer mehr die Armut zeigt? Dies betrifft nicht nur die finanzielle Perspektive, sondern vor allem – und viel wichtiger – den Reichtum unserer Herzen, sowie die echten Prioritäten des gesunden Menschenverstandes.

Die Auswüchse des unnatürlichen Wachstums

Die Schichten des Bevölkerung teilen sich bereits unübersehbar. Immer mehr Mitmenschen können im Fluss der Wachstumsströme nicht mehr mithalten und gehen darin unter. Während in zunehmendem Maße von Zivilisationskrankheiten die Rede ist, brechen die Werte der Gesellschaft zusehends ein. Mittlerweile gehört es leider zum üblichen Ton, rücksichtslos und selbstgerecht im eigenen Interesse und dem der Allernächsten zu handeln, nur um eigene Vorteile dadurch zu erlangen. Das idealisierte Streben nach materiellem Wohlstand und vermeintlicher Sicherheit führt zu einer Geisteshaltung, die in einer schier endlosen Aufwärtsspirale nach materieller Anhäufung und Statussymbolen giert, während sich die Gefühlswelt in Gegenrichtung abflacht. Ist es das, was sich das Volk tatsächlich wünscht, oder sind es nur die Folgen der getriebenen Interessen derer, die nicht genug bekommen können?

Um ihre erwünschten Gewinne zu generieren, neigen die Konzerne dazu, diese auf fremde Kosten zu erlangen, ohne dass dies im Vordergrund erkennbar werden kann. Sie nutzen hierbei bewusst die Gutgläubigkeit oder Hilflosigkeit anderer aus und setzen ihre Ideen ausdrucksvoll als die einzig Wahren durch. Als ihre Werkzeuge dienen abhängige Medien und Vermittler, während ihre Handlungsgrundlagen teilweise durch die geschickte Beeinflussung rechtlicher Möglichkeiten erweitert werden. Ein Apparat, in dem der Einzelne nur noch als Ressource dient, was leider eine stark abfärbende Wirkung mit sich bringt. Der geschaffene Konstrukt sieht vor, dass jeder mit Verlusten zu rechnen hat, der dieses Spiel nicht mitspielt, oder sich nicht damit identifizieren kann. Andererseits sind sich nur die Wenigsten darüber im Klaren, dass als Konsequenz dieses Spieles der ungewollte Verlust ethischer Werte droht.

Allen bestehenden Warnzeichen zum Trotz

Der Mensch richtet sich in seinen Entscheidungen nach den Kriterien aus, mit denen er sich wohlfühlen kann. Schafft er das nicht, so wählt er in aller Regel das für sich kleinste Übel. Doch wie sieht es aus, wenn ständig Perspektiven bestehen, in denen die eigene Existenz und Zukunft bedroht sind? Angesichts solcher machtvollen Glaubensbilder folgen große Teile der Gesellschaft schnell einem Irrglauben, der für die Allgemeinheit größten Schaden bedeuten kann. Kaum noch jemand fühlt sich in diesem Land behütet, sondern eher bevormundet und ausgenommen. Es wäre sehr heilsam und hilfreich, wenn sich jeder Einzelne vermehrt damit auseinandersetzen würde, weshalb er sich tatsächlich nicht mehr wohlfühlen kann, um aktiv etwas dagegen zu unternehmen.

Es gäbe tatsächlich sehr gute Lösungen und Wege! Doch der von der Masse selbstauferlegte Glaube, dass es aufgrund fehlender Alternativen nicht anders ginge, die allgemeine Richtung also nur die einzig Wahre sein kann, lässt die vergleichbare Flexibilität einer Betonsäule entstehen. Und selbst, wenn das vertraute Bewegen auf diesen eingefahrenen Schienen ein noch so annehmbares Selbstbild ergibt, beginnt die Weisheit des emotionalen Körpers sich angesichts der bestehenden Ängste dagegen zu sträuben und baut allmählich Leidensdruck auf. Unter Beibehaltung des inneren Widerspruchs kommt es häufig bis zum Identitätsverlust, im flächendeckenden Fall ist dann von einer Gesellschaftsneurose die Rede. Zu beachten ist, dass darin dann ausgerechnet derjenige als Anormal erscheint, der nicht länger auf den verblendeten Abgrund zusteuern möchte und sichtbar gegen diesen Strom schwimmt.

Die heutige Wahl lässt keine echte Freiheit zu

Was hält uns davon ab, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, oder gewissenhaft nach eigenen Bedürfnissen zu handeln? Auf den Punkt gebracht fehlt es stets an werthaltigen Informationen, echtem Freiraum, oder passendem Angebot, wodurch es uns in vielfältig an unseren Möglichkeiten mangelt. Das freiheitlich anerkannte Prinzip, jederzeit achtsam und ohne mutwillige Beeinträchtigung anderer handeln zu können, ist in unseren Landen gar nicht mehr ohne Teilnahme am Kapitalfluss möglich. Wo findet sich das freie Stückchen Erde, wo dies getan werden könnte? Lässt sich in eigener Fähigkeit und Fertigkeit noch überleben, oder wird dies noch geduldet, wenn es keinem wirtschaftlichen Interesse dienlich ist? Die Zeiten sind lange vorbei, in denen wir als freier Mensch geboren wurden und dabei ganz schlicht ein selbstbestimmtes Leben führen konnten. Keiner wird heute noch danach gefragt, wie er zu Leben wünscht, geschweige denn, zu sterben.

Das wahre Ei des Kolumbus stellt für unsere Gesellschaft heute die Aufgabe dar, eine echte Balance zwischen dem Menschen und seiner eigenen Natur zu finden, ohne im Sicherheits- und Wachstumswahn unterzugehen. Dies kann nur gelingen, wenn der Mensch sich mit seinem eigenen Wesen konfrontiert, um sich nach erlangter Einsicht im kompetenten und vertrauensvollen Kreis die Verantwortung zu teilen. Dazu gehört die gewissenhafte und angemessene Zuordnung der sich ergebenden Aufgaben ebenso, wie die faire Verteilung der daraus erzeugten Gewinne. Dies erfordert jedoch eine veränderte Geisteshaltung und Lebensart, die auf echte Einheit, Würde und wahre Werte ausgerichtet ist. Ebenso die innere Bereitschaft, all das Loszulassen, was diesen Attributen nicht dienlich, oder sogar schadhaft ist. Ohne diese grundlegende Veränderung kann es keine zufriedenstellenden Perspektiven, oder eine friedvolle Zukunft für die nachfolgenden Generationen geben.

Neue Wege eröffnen sich dort, wo Orientierung herrscht

Interessanterweise sind weise Menschen oft sehr ruhig und sanftmütig, während sie über ein sehr abstraktes Denkvermögen verfügen. Sie sind über schadhaften Narzissmus erhaben, möchten sich nicht mit übersteigerten Egos reiben. Diese Menschen wünschen es sich sogar, ihre großartigen Lösungen anzubieten, ohne sich daran übermäßig bereichern zu wollen. Vorurteile und Rivalitäten halten sie davon ab, ins Rampenlicht zu treten, um sich gegen Neider und ausgefahrene Ellenbogen behaupten zu müssen, die in ihrem eingeschränkten konventionellen Denken nicht mehr folgen können. Solchen Vorbildern etwas mehr Gehör zu schenken, könnte unsere Gesellschaft ein entscheidendes Stück weiterbringen. Die etablierten Marktschreier und Besserwisser schaffen es jedenfalls nicht!

Es ist höchste Zeit, ein ideelles Neuland zu entdecken, das die bestehenden Extreme wieder besänftigen und auflösen kann. Weise Entdecker sind hierzu im Besitz von nachhaltigen Ideen, während die ‘Wissenden’ lediglich von ihren pragmatischen Lösungen besessen sind. Wem sollten wir also das Eröffnen neuer Wege anvertrauen, wenn es um Perspektiven geht?

 

Euer Leocarus

 

Über Leocarus

Autor und Initiator des Leocarus-Projekts